Die Moviejunkies sehen alles! — Naja, fast alles... Während wir auf www.moviejunkies.de über aktuelle Filme schreiben, findet Ihr hier Beiträge, die keine aktuellen Film-Kritiken sind, sondern "etwas nebenbei". Manchmal juckt es, über etwas zu schreiben, was noch kommen wird. Oder auch über aktuelle News.

Diese beschissenen Zufälle gehen mir langsam auf den Sack. V wie Vendetta, 2006

Steven Soderbergh und Danny Boyle über den heutigen Film

Steven Soderbergh hielt kürzlich vor der San Francisco Film Society einen sehr interessanten Vortrag zum Zustand des heutigen (Hollywood-)Films. Der Regisseur fing erst mit einer allgemeinen Idee dessen an, was uns Filme bedeuten. Er verwies darauf, dass der Mensch Geschichten braucht. Kann ich nur unterschreiben, das ist auch der Grund, den ich immer angebe, warum ich Filme so gerne mag.

We are a species that is driven by narrative. And art is storytelling. We need to tell stories.

Nun gibt es solche und solche Geschichten, es gibt auch unterschiedliche Wege eine Geschichte zu erzählen. Hier kommen der Regisseur und die Produzenten ins Spiel. Was nützt einem die schönste, spannendste Geschichte, wenn sie sterbenslangweilig erzählt wird?

And sometimes, when you get a really good artist and a compelling story, you gonna achieve, you almost gonna achieve that thing that is impossible that is entering the consciousness of another human being. And literally seeing the world the way they see it.

Soderbergh kam von dort zum Speziellen, der momentanen Film-Situation. Jeder Mensch mit ein wenig Hirn im Kopf wird sich fragen, warum in letzter Zeit so viele Remakes auf den Mark gespült werden. Wieso Comic-Verfilmungen so gut im Kurs stehen. Oder warum es Spielzeug auf die große Leinwand schafft. Dazu muss man einen Blick auf die Filmstudios werfen und die Produzenten, die zwar immer schön im Hintergrund stehen, aber wir wissen spätestens seit Wag the Dog, dass so ein Produzent sehr wohl ein enormes Mitspracherecht hat. Somit bestimmt der mit, was und wie es auf die Leinwand kommt.

Sonderbergh greift diese Herrschaften frontal an. Seiner Meinung nach sind Produzenten in dem Job, nicht weil sie Filme mögen. Die Produzenten schauen sich selber kaum Filme an, sie haben keine Ahnung von der Materie. Es läuft am Ende immer nur auf eines heraus: aufs Geld. Dabei wollten wir doch nur gute Geschichten …

Weiter spricht der Regisseur von Ocean’s Eleven (und den beiden Nachfolgern) davon, dass die heutigen Film, die großen Filme, vollgestopft sind mit Technik. (Man schaue auf Der Hobbit.) Je mehr Technik so ein Film hat, desto teurer wird er. Ganz klar. Je teurer der Streifen jedoch ist, um so mehr Publikum muss er anziehen. Und um eine möglichst breite Masse ins Kino zu bewegen, bedarf es simpler, einfacher Geschichten. Bloß nicht zu kompliziert machen. Selbes Prinzip wie im Fernsehen.

Von dort schwenkt Soderbergh hin zu den Postern und Trailern zu den heutigen Filmen. Schon aufgefallen, dass die sich alle extrem ähneln? Das kommt daher, weil man in einer Millionen-Dollar-Industrie nichts dem Zufall überlassen kann. Also finden Testings mit den potenziellen Kunden statt. Schon wird alles wieder auf einen Nenner zusammengedampft – heraus kommen die immer gleichen Poster- und Trailermuster. Ist etwas „besonders“, kommt es nicht an.

Wo kommen die Remakes her?

Schon mal gefragt, warum es immer nur die erfolgreichen Streifen sind, die ein Remake erfahren? Genau deshalb fällt uns das ja auch auf: Wie, schon wieder der Film? Der war doch in den 1980ern erfolgreich. Jetzt schon wieder ein Neuaufguss? Das kommt laut Soderbergh daher, weil die Entscheidungsträger bei den Filmstudios die sind, die nur das Geld im Kopf haben. Sie haben eher keine cineastische Grundbildung.

Warum nicht einfach mal ins Archiv gehen und eine 50 Jahre alte Idee auskramen, die echt gut ist – aber vielleicht nicht den großen Erfolg seinerzeit hatte? Man nehme diese Idee und setze gute Leute darauf an, dann hätten wir – auf einer alten Idee beruhend – eine neue Geschichte. Eine, die noch nicht so viele Leute kennen. Die Antwort darauf, warum das nicht geschieht, ist die, dass man bei den Filmstudios keine Ahnung von der Sache, vom Film hat. Mit Geld jonglieren, ja, das können sie, doch vom Film haben sie keinen blassen Schimmer.

Danny Boyle über die „Pixarfication“

Nicht nur Steven Soderbergh rechnete kürzlich mit der Filmindustrie ab. Auch sein britischer Kollege Danny Boyle hat sich Gedanken über „den Film“ gemacht. Slumdog Millionär-Regisseur Boyle hatte jedoch nicht den Film an sich im Hinterkopf. Er macht sich vielmehr über den „Erwachsenenfilm“ Sorgen.

In den 1970ern gab es sie, Filme mit guten Geschichten, auch ruhig komplizierterer Natur, gewürzt mit Gewalt. Filme, die man nur als Erwachsener sehen durfte, das wäre also bei uns FSK 18. Das waren auch die Filme, auf die man sich als Jugendlicher gefreut hat. Frei nach dem Motto Mann, den Film will ich sehen. Ich kann es nicht erwarten erwachsen zu werden. Oder komme ich irgendwie anders ins Kino rein?

Diese Filme scheint es nicht mehr zu geben. Alles wird – mit Blick aufs liebe Geld – weichgespült, Boyle spricht von der „Pixarfication“. Alles wird so weit verniedlicht, dass man eine niedrige Altersfreigabe bekommt, was wiederum den potenziellen Markt erweitert. Großer Vorreiter war hier George Lucas, als er in Star Wars VI seine fluffigen Ewoks eingeführt hat. Bei Episode I hat er dann mit Jar Jar Binks alles ruiniert – zum Wohle für die Kinder-Dollar.

Erwachsenenfilme sind heutzutage Pornos. Das waren sie nicht immer.

Die Zukunft des Films eine reine Marketingaktion?

In der N.Y. Times ist ein Bericht zu finden, der sich damit beschäftigt, dass Filme heutzutage reine Konstrukte der Marktforschung und erhobener Daten sind – bzw. sein können. Kreativität, der Wunsch eine Geschichte zu erzählen, also das, was laut Soderbergh die Filmindustrie und auch uns antreibt, wird abhängig von Datenminen.

Da sich, wie oben schon erwähnt, alles ausschließlich ums Geld dreht, muss jeder Cent sitzen. Man kann nichts mehr dem Zufall überlassen. Wie kann man sich absichern? Durch Analyse von zuvor erhobenen Daten. Genau das macht die Firma Worldwide Motion Picture Group. Also nicht wundern, wenn man z.B. in einem Film, der in einer amerikanischen Kleinstadt spielt, kein Bowling-Centre sieht. Filme mit Bowling-Szenen waren in der Vergangenheit nicht erfolgreich, also sollte man vermeiden, solche Szenen in sein Script einzubauen.

So wie man analysieren kann, was tunlichst nicht im Film vorkommen sollte, genauso kann man all die Dinge unbedingt reinschreiben, von denen man weiß, dass das Publikum sie mag. Ja, dann hat eben jeder dritte Film nahezu den selben einen Witz. Dem Publikum gefällt es doch.

Meiner Meinung nach eine sehr gefährliche und tatsächlich die Kreativität störende Praxis. Zukünftige Filme könnten zusammengesetzt sein aus lauter demographisch wertvollen Witzen und drumherum gestrickt ist dann eine aus dem Hut gezauberte Geschichte. Sowas kennen wir ja von den ebenfalls getypten 3D-Filmen. Glaubt mal nicht, die Studios würden diese Technik deswegen so aggressiv pushen, weil sie Euer Wohlwollen im Sinne haben. Es geht um Geld. Um Euer Geld. Hier sind es dann nicht die Witze o.ä., die die Geschichte umschiffen muss, sondern die 3D-Effekte.

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