Stummfilmkonzert mit Stan und Olli in der Laeiszhalle
Die Firma, in der ich arbeite (brink und martens) feiert dieses Jahr 10-jähriges Bestehen und wir zelebrieren das mit zehn Aktionen. Dazu sind Freunde, Kunden, Familien eingeladen. Mal größer, mal kleiner. Die erste Aktion war klein, aber sehr fein. Fünf von uns und ein Gast haben in der Laeiszhalle Stephan Graf von Bothmer gelauscht. Der Berliner Komponist hatte zwei alte Freunde dabei: Stan Laurel und Oliver Hardy, meiner Generation besser als „Dick & Doof“ bekannt.
Die beiden Komiker haben viele Filme gedreht und viele Menschen zum Lachen gebracht. Am Freitag einige Hundert im kleinen Saal der Laeiszhalle. Von Bothmer hat sich nicht einfach auf die Bühne gestellt und losgelegt. Der Mann mit den etwas zotteligen Haaren kam auf die Bühne und hat das Publikum zunächst mit einem Witz abgeholt. Danach gab es eine Einführung in die Welt des Stummfilms und dessen Musik. So erfuhren wir z.B., dass jedes Filmspielhaus damals seine eigene musikalische Interpretation zu einem Film darbot. Es gab nicht „die Filmmusik“. Das kam erst viel, viel später. Bothmer hat alle Stücke, die er an diesem Abend gespielt at, selber komponiert. Es sind seine Ideen, die er vortrug – und auch teils erklärte.
Wie eine typische Filmvorführung in den alten Tagen, bot Bothmer auch ein Rahmenprogramm. Angefangen mit einem von ihm musikalisch untermalten Werbespot aus der Zeit, gefolgt von zwei „Trailern“ zu den Klassikern Nosferatu und den Harold Lloyd-Streifen Ausgerechnet Wolkenkratzer (Safety Last!). Kurze Stücke, die das Publikum auf die kommende Reise einstimmten. Dann noch eine kleine Eigenkomposition, die blind gespielt wurde – weil er sich selber für seine eigene Überheblichkeit bestrafen wollte. Sein Spiel wurde per Kamera auf die Großleinwand projiziert, was sehr imposant anzuschauen und anzuhören war.
Endlich kamen die Helden unserer Kindheit auf die Leinwand. Die frühen Stummfilme waren so genannte „Ein-Roller“ (glaube, so hieß das), also Filme, die auf eine Filmrolle passten –- auch wenn man oft viel mehr Filmmaterial belichtete, um eine Geschichte zu erzählen. Diese „Ein-Roller“ sind im Schnitt 18 bis 19 Minuten lang.
Angefangen hat von Bothmer mit einem Film, der, so sagt er, damals nie in Deutschland gezeigt wurde, weil er die Ehe in einem schlechten Licht darstellen solle. We faw down ist die Geschichte von Stan und Olli, die lieber zu einem Pokerspiel gehen wollen, als den Nachmittag mit ihren Ehefrauen zu verbringen. Also stehlen sie sich mit einer Lüge davon – was natürlich nicht gut geht. Für mich der lustigste Streifen an dem Abend. Ich habe Tränen gelacht – nicht im übertragenen Sinne, sondern wirklich.
Als nächstes kam eine „Horror-Komödie“. In Habeas Corpus will ein verrückter Wissenschaftler Forschung an einer Leiche vornehmen und bietet Stan und Laurel Geld an, damit sie den Job erledigen. Anfangs etwas lahm, nimmt der Streifen auf dem Friedhof Geschwindigkeit auf. Da muss man auch nicht fragen, wieso eine Schildkröte über den Leichenacker kriecht. Man nimmt es hin und lacht sich schlapp. Am schönsten die Szene, wenn der weinerliche Stan ein Gespenst sieht, das, eine Rauchfahne hinter sich herziehend, an ihm vorbeiläuft.
Im dritten Film, Big Business, haben sich Stan und Olli als Weihnachtsbaumverkäufer im sonnigen Kalifornien versucht. Auch der Streifen ist anfangs etwas lahm, mündet dann aber schließlich in einer Zerstörungsorgie erster Güte. Hier sehen wir auch „Dick & Doof“-Widersacher James Finlayson zum ersten Mal.
Wie oben geschrieben, wurde oft viel gedreht, dann aber Material herausgeschnitten, um eine Geschichte auf etwa 18 Minuten zu komprimieren. Freiheit ist eine Art „Abfallprodukt“. Was wir hier sehen ist eine Geschichte, die eigentlich mitten in We faw down spielte, bis sie der Schere zum Opfer fiel. Macht nichts, erklärte Bothmer, man hat oft so ein Material genommen und daraus eine neue Geschichte gesponnen. In diesem Fall wurde ein neuer Anfang vorne angehängt und schon war der Film um die beiden Komiker, die auf offener Straße die Hosen tauschen wollen, fertig.
Zwei Stunden hat von Bothmer – zusammen mit Stan & Olli – das Publikum bestens unterhalten. Der Pianist lobte zwischendurch die Kinder, die ebenfalls anwesend waren, in der ersten Reihe saßen und sich lautstark amüsierten. Er würde sie bei seinem Spiel hören und es würde ihn freuen.
Ein guter Auftakt für unsere Zehn-Jahre-Aktion und eine Empfehlung für alle, die Stummfilme mit Live-Musik-Begleitug erleben wollen. Mein nächster Stopp wird sein, Ausgerechnet Wolkenkratzer, diesmal in voller Länge, Mitte März mit von Bothmer am Klavier. Ein irrsinnig komischer Film, der bestimmt wieder bestens musikalisch untermalt wird. Stand & Olli war nicht nur lustig, sondern auch sehr lehrreich. Man erfährt so einiges über die Stummfilm-Ära. Filmfreunde werden also auf ihre Kosten kommen.