Der englisch-sprachige Film in Hamburg hat wieder eine Heimat
Irgendwie ist es ja schon seltsam. Hamburg rühmt sich, eine Weltstadt zu sein (was sie nicht ist) und dann tut sie sich so schwer damit, international zu sein. Also im Kino zumindest. Will man in der Hansestadt einen Film auf englisch sehen, muss man lange suchen. Die Geschichte des englischen Originalfilms in Hamburg ist eine lange und traurige.
Ich weiß noch, dass es bis 2001 englische Filme hauptsächlich im City zu sehen gab. Das City war ein Lichtspielhaus im Steindamm aus dem Jahre 1954. Als das Kino geschlossen wurde, musste das englisch-sprachige Publikum woanders Filme im Original gucken. Soweit ich mich erinnern kann, wurden von dort an die Filme in OV im Grindel gezeigt. Doch in 2008 hieß es auch hier: der letzte Vorhang fällt. Mit der Schließung des Kinos gegenüber von den Grindelhochhäusern hatte auch die beliebte Sneak Preview keine Heimat mehr. Randnotiz: Wo einst das Grindel war, ist nun ein Drogeriemarkt drin …
Vom Grindel wanderten die Liebhaber des englischen Originals in die Innenstadt, in die Nähe vom Gänsemarkt. Bis 2013 konnte man im Streit’s seinen Durst nach den Originalstimmen von den Hollywoodgrößen stillen. Bis auch dieses Kino geschlossen wurde und dem Einzelhandel weichen musste.
Die Sneak Preview ging ins einige hundert Meter entfernt liegende Passage in der Mönckebergstraße. Nun hat das Warten ein Ende. Wie von mir immer vermutet, ist die neue Heimat des englischen Films in Hamburg das sanierte Savoy im eher schmuddeligen Steindamm. Also ist der englisch-sprachige Film im Grunde wieder zurück zu seinen Wurzeln (des ausgehenden 20. Jahrhunderts) gekommen.
Filme auf englisch schaut man jetzt im Savoy
Das Savoy wiederum hat zuletzt auch eine turbulente Zeit hinter sich gebracht. Ich weiß noch, dass es 1994 umgebaut wurde. Einer der ersten Filme, die dort liefen war Species, den ich dort auch sah. Nur vier Jahre nach der Grundsanierung schloss es. Soweit ich informiert bin, war es dann eine Zeit lang ein Teppichlager, bis es dem Metropolis als Asylstätte diente. Allerdings sollte es nach dem Auszug des Metropolis-Kinos abgerissen werden. Das konnte zum Glück verhindert werden. Nun strahlt das Savoy im neuen Glanz. Und die Liebhaber von Filmen im englischen Original haben auch wieder eine Anlaufstelle.
Da die Filmstudios einen so hohen Druck machen, musste auch das Savoy im Steindamm seinen Projektor auf 3D umstellen. Neben diesem unnützen Gimmick wurden auch die Sessel alle ausgetauscht und sind nun modern und angenehm.
Das endgültige Aus für das Streit’s Hamburg
Bis März 2013 haben wir noch Zeit, im Streit’s Filme zu sehen. Dann ist Schluss und der letzte Vorhang fällt. Überraschend kam es nicht, immerhin war das Ende angekündigt, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Unterschriften wurden gesammelt, die Betreiber des Kinos führten Verhandlungen — nichts half. Der Vermieter will zu viel Geld haben. Zwar ist das Streit’s immer gut besucht, vor allem die Sneaks-Preview am Montag ist stets ausverkauft, aber bei den Forderungen des Vermieters lässt sich nicht mithalten.
Alles muss raus
Mobiliar, Projektor, Lüftung, sogar die Lounge muss raus. Christoph und Peter Reimers von der Streit’s Grundstücksgesellschaft wollen kein Kino haben. Selbst die Versuche von Cinemaxx-Chef Flebbe aus dem Streit’s ein Premium-Kino zu machen, stießen auf taube Ohren. Sogar die Kulturbehörde soll sich eingeschaltet haben, doch der Vermieter hat ein „Einzelhandels-Konzept“ im Kopf. Wird das ehrwürdige Streit’s einem weiteren Budni-Laden weichen? Die können sich die Mieten bestimmt leisten.
Große Angst Abriss
Wohin mit dem Streit’s? Es ist derzeit das einzige Kino, das in dieser selbsternannten Weltstadt Filme im englischen Original spielt. Geht man über die Straßen von Hamburgs Innenstadt, hört man an allen Ecken englische Zungen. Die wollen doch in diesem „Tor zur Welt“ auch einmal ins Kino gehen. In meiner Firma haben wir viele englischsprachige Kollegen. Bedarf ist da! Wo soll man sich seine Portion „Original“ abholen?
Streit’s-Geschäftsführer Fock sucht für sein Kino neue Räume. Aber selbst wenn das Streit’s, das seit 1956 Filme zeigt, wie von mir vermutet in die Räumlichkeiten des ehemaligen Savoys am Steindamm zieht (erst 2014), wo gerade das Metropolis nach seinem Exil raus ist — es wäre nicht das Selbe. Zum einen: Wer will „hinter den Hauptbahnhof“, in diese Schmuddelecke, um einen englischen Film zu sehen? Und davon abgesehen wäre es nicht richtig. Das Streit’s-Kino gehört ins Streit’s-Haus! Punkt. Ende.
Nun könnten die Brüder natürlich auch den ultimativen Overkill verursachen und das ehrwürdige Gebäude – hier wurde 1841 das erste Mal das Deutschlandlied öffentlich gesungen – einfach komplett abreißen. Leider steht das Gebäude nicht unter Denkmalschutz. Das wäre sogar noch eine schlimme Tat oben drauf. Und die Reimers-Brüder dürften sich gewiss sein, dass sie das erst recht zu Buhmännern machen würde.
Danach hätten sie keine Freunde mehr …
Es ist extrem schade, dass das Streit’s gehen muss. Genauer: Es ist eine Schande!
Sicherheitsmaßnahmen im Streit’s
Gestern musste ich eine Karte für die Sneaks im Streit’s zurückgeben. Im Foyer stand ein Metalldetektor. Ein sehr ungewöhnliches Bild in diesem Kino. Ungewöhnlich in jedem Kino, möchte ich sagen. Neben dem Durchgang war ein großes Schild, auf dem etwas stand, wonach die Zuschauer Verständnis dafür haben mögen, dass keine Mobiltelefone erlaubt sein. Es ging um Filmpiraterie. Mobiltelefone sollten am Tresen abgegeben werden, man passe auf sie auf.
Ich vermute, es ging um eine Pressevorführung o.ä., die, da erinnere ich mich noch dran, auch im Streit’s stattfanden. Vielleicht wurden die neuen Abenteuer von Tim und Struppi vorgeführt.
Auf dem Schild stand noch mehr, aber oben stand das mit den Mobiltelefonen. Da kommt die Frage auf: Wer nimmt einen Film mit einem Telefon auf? Wenn ich mir vorstelle, zwischen anderen Leuten zu sitzen, die Popcorn essen, murmeln, sich räuspern, lachen – das wird ein mieser Piratenfilm.
Mal davon abgesehen, dass a.) ich bei Gott keinen Bock darauf hätte, die ganze Zeit über mein Telefon zu halten, b.) ich nicht weiß, ob ein ganzer Film auf ein Smartphone passt und c.) die Qualität bestimmt auch eher mies sein dürfte. Wer macht denn sowas?
Savoy gerettet, Probleme fürs Metropolis
Es sollte ein entspannter Abend im Metropolis werden. Im Rahmen der Aktion Ahoi Savoy wurde Alfred Hitchcocks Das Fenster zum Hof aufgeführt. Nach unserer überraschend faszinierenden Erfahrung mit Das Pendel des Todes, nun also James Stewart und die bildhübsche Grace Kelly auf Großleinwand. Man kennt solche Filme aus dem Fernsehen, aber im Kino wirken sie ganz anders. Gewaltiger. Beeindruckender. Besser.
Der Saal wurde natürlich nicht voll, aber das Kino war gut besucht. Der Altersdurchschnitt war eher höher.
Vor dem Film gab es noch von einem Metropolis-Mitarbeiter (dem Chef?) eine kleine Durchsage. Solche persönlichen Gespräche und Informationen sind etwas, das den Gang in so ein kleines Kino so bemerkens- und liebenswert machen. Er fing an und ein kaltes Grauen machte sich im Nacken breit.Movie Carol (2015)
Da war die Rede von „vorletzter Vorstellung“ (danach sollte noch der Film Hellzapoppin gezeigt werden). Doch der Vorhang sollte noch weiterhin gelüftet werden. Wie es scheint — ist an mir vorbeigegangen —, sollte das Metropolis, das zum 2. September in den Neubau an der Dammtorstraße ziehen sollte, dem früheren Kino Savoy weichen. Doch dieses sollte wiederum noch vor dem erneuten Öffnen schon vor dem Aus stehen. Das Metropolis/Savoy sollte abgerissen werden. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Gentrifizierung St. Georgs. Dem Beschluss, dass das Savoy überraschend 350.000 Euro Unterstützung von der Stadt Hamburg erhält, ist es zu verdanken, dass das Savoy zunächst bis 2014 erhalten bleibt.
Somit ist am heutigen 30. Juni die Silberleinwand nicht zum letzten Mal angestrahlt worden.
Probleme fürs Metropolis
Und das Metropolis? Es sollte zum 2. September in den (hässlichen) Neubau im Metropolishaus an der Dammtorstraße ziehen. Durch den Starkregen am 8. Juni, der diverse Hamburger Keller und auch die Europapassage überflutet hat, verzögern sich die Bauarbeiten nun um ein bis zwei Monate. Die Baustelle war ebenfalls von den Wassermassen heimgesucht worden.
Dann erfuhren wir, dass das Metropolis noch mit einem weiteren, schweren Schicksalsschlag gebeutelt wurde. Bei dem Regen ist auch das Archiv des Kinos etwa zehn Zentimeter unter Wasser gesetzt worden. Zum Schadensumfang ließ er in der Ansage nichts verlauten. Dennoch ein herber Tritt in die Magengegend eines Kinobetreibers.
Steindamm keine Ausweichmöglichkeit
Mit der finanziellen Rettung des Savoys im Steindamm, ist übrigens meine Spekulation das Streit’s betreffend zunichte gemacht worden. Ich dachte ja eigentlich, das Metropolis würde, wie geplant, ins Metropolishaus zurückziehen und das Streit’s vom Jungfernstieg an den Steindamm wandern. Das Streit’s steht schließlich zum 31. März 2013 vor der Frage, wo es hin soll, sind die Mieten für den Saal im Streit’s-Haus (!) zu hoch. Man kann nur hoffen, dass auch hier die Stadt ein Herz für Kultur hat …