Eine phantastische Reise in der Katholischen Akademie Hamburg
Es war erneut ein schöner Abend beim Flexiblen Flimmern. Diesmal traf sich die illustre Runde von Film-Freunden in der Katholischen Akademie im Herrengraben. Wenn man Der Clou in einem Casino zeigt, verstehe ich die thematische Beziehung, wenn man aber einen SciFi-Film in einer katholischen Akademie zeigt, entzieht sich mir der Sinn. Moviejunkie Thorsten meinte noch im Vorfeld schmerzhaft, dass beide – Film und Kirche – Science Fiction seien.
Natürlich hatte sich Veranstalter Holger Kraus etwas bei der Auswahl der Räumlichkeiten gedacht. Der von außen unscheinbare Bau der Akademie birgt nämlich „ein Geheimnis“ architektonischer Natur. 1973 wurde das Gebäude, das im Stil des Brutalismus gebaut ist, eingeweiht. Damals war Stahlbeton „in“. Und man hat auch in futuristischen Formen gedacht. Das spiegelt sich im Äußeren und im Inneren wider. Es gab eine entsprechende Führung, die ich aber nicht mitgemacht hatte, da ich gerade von auswärts angereist kam und mit Koffer dort auflief.
Der Bau ist wohl recht farbenfroh, was ich zumindest für den Vorführraum bestätigen kann. An der Decke sind blau gestrichene Waben aus Betonträgern, die rote Deckenelemente einfassen. An den Streben wiederum hängen seltsam anmutende Leuchten, die an Raumschiffe erinnern. Das passte also alles wunderbar zu dem gezeigten Film Die phantastische Reise aus dem Jahr 1966.
Kraus hat sich einmal wieder viel Mühe gegeben und das passende „drumherum“ gefunden. Nicht nur die Akademie, die das richtige SciFi-Feeling vermittelte, sondern auch die Requisiten, wie menschliches Modell, medizinische Lehrplakate und einen Schädel auf der Bühne.
Vor dem Film ließ Kristina Sassenscheidt vom Hamburger Denkmalschutzamt noch „ein paar Worte“ zur Architektur und der Problematik fallen, dass man in Hamburg sehr schnell mit der Abrissbirne sei. Dabei werden auch Bauten aus einer noch nicht so lange zurückliegenden Epoche gerne dem Erdboden gleich gemacht, nur weil sie „nicht gefallen“. Stimmt schon. Ein seltsam eckiger 70er-Jahre-Bau aus Stahlbeton ist nicht das, was man als „schön“ erachtet. Aber es ist ein Teil der Architektur- und Stadtgeschichte. Die Katholische Akademie steht deshalb unter Denkmalschutz. Etwas, worüber ich mir bei dem Projekt Denkmal Hamburg bewusst keine Gedanken mache.
Unterm Strich war es wieder einmal ein schöner Abend. Der FIlm war so unglaublich schlecht, dass man sich vor Lachen kaum halten konnte. Und dank dem Flexiblen Flimmern konnte man den Streifen nicht nur in passender Umgebung sehen, sondern auch auf Großleinwand. Müsste ich mir den Film auf einem kleinem Fernsehen anschauen – und ohne ein so ausgelassenes Publikum –, ich würde schnell ausschalten, weil Die phantastische Reise so mies ist.
Bevor der Film anlief, gab es noch den „Kurzfilm“ Hamburg – Great City on a Great River — Passend zum Thema Architektur der 70er und passend zu Hamburg. Ein Film, der uns schon auf die seltsame Bildsprache der Zeit einstimmen sollte.
Hamburg – Great City on a Great River from Friedemann Wachsmuth on Vimeo.
„Der Clou“ dank Flexibles Flimmern
Darüber, wie schön und außergewöhnlich es ist, einen alten Klassiker auf großer Leinwand zu sehen, habe ich bereits beschrieben. Kino oder Film kann aber noch mehr. Es geht immer noch einer oben drauf. Wenn das Filmerlebnis zu einem Gesamterlebnis wird, mit besonderem Rahmen.
Flexibles Flimmern beschert einer Filmliebhaber-Seele solche außergewöhnlichen Umstände, die den Filmgenuss noch einen Tick mehr erhöhen. Holger Kraus von Flexibles Flimmern hat alte Filme im Repertoire, die an nicht alltäglichen Orten vorgeführt werden. Den Rühmann-Klassiker Die Feuerzangenbowle hat Kraus schon in vier Jahren im Schulmuseum gezeigt. Film und Vorführort haben also (oft) einen gewissen Bezug zueinander.
Diesmal sahen wir einen der besten Gaunerfilme, Der Clou mit Paul Newman, Robert Redford und Robert Shaw. Ich liebe diesen Film. Ich weiß nicht, wie oft ich den schon gesehen habe. Diesmal dann auf größerer (mobiler) Leinwand. Wo? Im Casino Esplanade. Eben stilecht. Immerhin handelt Der Clou vom Wetten und Glücksspiel. Da bietet sich dieser Ort wunderbar an.
Sakko angezogen, Hemd gebügelt (Okay, ich habe immer gebügelte Hemden an …) — so fein herausgeputzt geht man nicht immer ins Kino. Hier waren — dank Sakko-Pflicht — alle adrett angezogen. Man bekam einen 2-€-Spielechip ausgehändigt, den man beim Pokern oder Roulett einsetzen konnte. Es gab etwas zu essen und trinken (gegen Geld) und nach gut eineinhalb Stunden im Spielkasino fing dann der Film an. Eine sehr schöne Idee.
Der Clou: Immer noch neu
Man kennt den Film, man weiß wie er ausgeht, wer der Killer ist und und und — dennoch ist er jedes Mal toll. Nun in dieser Umgebung noch einen Tick mehr. Ich saß jedenfalls dort auf meinem nicht sonderlich bequemen Stuhl und habe selig vor mich hingegrinst. Einfach weil es so schön ist.
Der Altersschnitt bei diesem Film: Mitte 30 und aufwärts. Weit aufwärts. Viele aus dem oberen Segment. Aber — das wundert und freut zugleich — es gab tatsächlich Anwesende, die den Film nicht kannten. Da saß vor mir eine Mittdreißigerin, die völlig entsetzt war, als die Killern Salino, die auf Hooker angesetzt war, in der Gasse erschossen wurde. Das kam sichtlich absolut überraschend für die junge Frau. Lustig.
Auch lustig: Im Vorspann werden die „Player“ vorgestellt. Auftritt Paul Newman: Alle Frauen seufzten laut auf. Diese Augen … Hach.
. Danach Robert Redford: Alle Frauen seufzten erneut auf. Oh, da ist er noch sooo jung. Hach.
😉 Und erst die Szene, als Paul Newmans Charakter Henry Gondorf Redfords Hooker im Wettbüro anpflaumt. So blaue Augen!!
Die Frauen waren alle hin und weg …
Klassiker und Neues beim Flexiblen Flimmern
Bevor der Film losging, hielt Kraus noch eine kleine Anrede vor der wirklich liebevoll dekorierten Leinwand. Unter anderem kündigte er an, dass der nächste Film eine Premiere wäre — schlicht, weil der Film noch keinen Verlieh hat. Dabei handelt es sich um eine Dokumentation zum Thema Stadtentwicklung. Der Film wird dann im Rahmen des Zukunftscamp 2030 von nexthamburg vorgeführt. Anfang Februar soll er im ehemaligen Ohnesorg Theater gezeigt werden.
Da könnte man auch vorbeischauen. Klassiker in passender, ungewöhnlicher Umgebung sind jedenfalls ein sehr schönes Erlebnis. Eintritt kostet wohl immer 10 €, was für so ein Erlebnis jedoch absolut fair ist.